Namaskará,
liebe
Leserinnen und Leser,
mit
einem langen Bart, und braun gebrannt sitze ich mal wieder vor meinem
Laptop und schreibe ein paar Zeilen für euch. Der Ventilator brummt,
und es ist angenehm, das ein kühler Wind übers Land geht. Abends,
wenn ein Regenschauer die Hitze des Tages vertreibt kann man das
Prasseln auf den Dächern des Campuses hören.
Acht
Monate, das sind ganze 243 Tage , habe ich nun schon in Indien
verbracht. Langsam aber sicher naht der Endspurt, und in nicht allzu
langer Zeit bin ich wieder zurück in der besten Stadt der Welt, wo
der deutsche Meister Fußball spielt.
In
meinem dritten Bericht möchte ich erzählen, was ich bisher erreicht
habe, und was ich noch bis zum Ende meines Freiwilligendienstes
umsetzen möchte.
Ich
fange also da an wo ich Ende Januar aufgehört habe. Ich muss sagen,
dass der Weggang meines ehemaligen Kollegen Annand zu Beginn des
neuen jahres 2012 doch schwerer zu verdauen war als gedacht, und mich
ein paar Wochen zurückgeworfen hat.
Durch
die Neustrukturierung meiner Freiwilligenstelle dauerte es doch bis
in den Februar hinein, das Projekt wieder in Gang zu setzen.
Das
Motivationstiefmonster, dass zu Beginn diesen Jahres Guten Tag sagte,
wurde mit Geduld und Ruhe überwunden, und ich konnte in den normalen
Alltag zurückfinden.
Mit
ganz elementaren Fragen und Gedanken wie “Warum läuft das jetzt
nicht so?” oder “Das muss doch jetzt schneller gehen” bin ich
mit meiner Arbeitsweise, mit der ich ins neue Jahr starten wollte,
gekonnt vor die Wand gefahren. Es hat zwar ein halbes Jahr gedauert,
die indische Arbeits- und Lebensweise kennen zu lernen und zu
erleben, richtig fühlen konnte ich sie aber erst nach dem
überwundenen Tief im Januar. Arbeitsabläufe gehen auf einmal viel
leichter von der Hand, man versteht Kollegen noch besser als vorher,
und man schafft es durch innere Ruhe im Alltag mehr zu erreichen.Ich
bin im indischen Flow, und fühle mich gut damit.
Ich
genieße meine Zeit hier in Indien nach wie vor sehr, und kann mit
dem indischen Flow die Zeit noch etwas mehr genießen und meine Zeit
auskosten.
Wenn
ich bedenke, dass ich erst im September letzten Jahres mit meinem
Projekt Functional Adaptation einen neuen Klientenstamm in und um
Koppal aufgemacht habe, ist es umwerfend zu sehen wie das Projekt
jetzt läuft. Es hat viel Mühe, Geduld und Durchhaltevermögen
gekostet, die Sache ans Laufen zu kriegen, und es ist schön zu
sehen, wie ein Zahnrad ins nächste läuft. Klienten, die noch im
Oktober nicht aus dem Bett zu kriegen waren, machen jetzt mit ihrem
neuen Rollstuhl Koppal unsicher.
Hier
muss ich allerdings anfügen, dass ich nach wie vor bemerke, dass die
Motivation und die Mitarbeit der Familie nicht mit dem übereinstimmt,
was wir investieren. So hatten wir im letzten November und Dezember
ein Kind Priyanka(5Jahre alt), das Ceberal Palsee hat, und vor dem
Kontakt zu Samuha nicht laufen konnte. Durch gezielte Early
Intervention und Physiotherapie, ausgeführt vom Physiotherapeuten
Prabhakar, dem Physiotherapieteam aus Kannada und mir, konnten wir
erreichen, dass Priyanka Mitte Dezember eine abgesteckte Strecke ohne
Hilfe gehen konnte.
Als
ich Priyanka letztens im März gesehen habe, habe ich gesehen, dass
Sie nicht in der Lage ist ohne Hilfe zu laufen. Die Mitarbeit der
Familie, vor allem der Eltern, ist eine unabdingbare Säule meiner
Arbeit. Ich bemerke teilweise zu häufig, dass die Hilfe nicht
fortgesetzt wird. Der Kern meiner Arbeit ist eine erzieherische
Nachhaltigkeit, durch die erreicht werden soll, das die Dorfbewohner
nach meinem Weggang Rehabilitation wie z.B. Eine Rampe selber
durchführen können.
Für
diesen Übergang ist das Projekt zu diesem Zeitpunkt doch vielleicht
noch zu viel jung, aber die Menschen im Dorf merken das etwas
passiert und packen ordentlich mit an.
Wir
versuchen durch den gezielten Einsatz von Freiwilligen im Dorf eine
Eigenständigkeit und Verantwortung im Dorf selbst herzustellen.
Ich
sehe mich selbst in der Rolle des Vermittlers, die die Menschen dazu
anregt, selber aktiv zu werden. Ich sorge für die Rahmenbedingungen,
um einen reibungslosen Ablauf herzustellen. Ich möchte die Klienten
und Familien das Fischen lernen, und nicht den Fisch geben.
Ich
bin der Meinung, dass ich an meiner Arbeit und dem Leben in Indien
sehr wachse, und viel für mein späteres Leben lerne. Vor allem in
den Bereichen Eigenständigkeit, Verantwortliches arbeiten und
Konflikte sowie Probleme lösen lerne ich hier viel.
Ich
fühle mich nach wie vor in Indien sehr wohl und genieße von ganzem
Herzen Land und Leute, könnte mir jedoch nicht vorstellen, Leben in
Indien zu verbringen. Ich bekomme durch den Kontakt zu den Freunden
auf meinem Campus die Möglichkeit, Fragen zu diskutieren und Sachen
in Frage zu stellen.
Es
hat im Februar diesen Jahres mit allen wichtigen Personen der
Organisation und dem deutschen Mentor David ein Evaluation Meeting
gegeben. Dieses war für alle sehr erfolgreich und positiv, denn es
wurden viele Dinge evaluiert. Ein paar offene Konflikte konnten
gelöst werden. Auch die anschließende gemeinsame Zeit mit David im
Projekt haben wir sehr genossen weil es gut war, sich über gewisse
Dinge auszutauschen und über persönliche Gefühle zu reden.
Dahingehend
das ich zu Beginn dieses Jahres meinen Kollegen gewechselt habe,
haben sich auch meine Verantwortungsbereiche und Aufgaben verändert.
Da Virupaxi ebenfalls der Koordinator der Commmunity Based
Rehabilitation ist, haben wir es so gelöst, dass wir zwei einhalb
Tage gemeinsam arbeiten. Darüber hinaus wurde ich von ihm in
Arbeitsschritte wie Buchführung, Abrechnung und Dokumentation
eingearbeitet, die ich nun eigenverantwortlich selbst durchführe.
Für die anderen beiden Tage, an denen er zwar im Projekt ist, aber
etwas anderes zu tun hat, steht mir ein anderer Kollege Ramesh zur
Verfügung, mit dem ich gerne Arbeiten durchführe(Material
organisieren, Koordinierung).
Während
ich im letzten Jahr nicht so stark in administrative Aufgaben des
Functional Adaptation Projektes involviert war, betreue ich nun das
Projekt theoretisch und praktisch.
Dies ist wahnsinnig spannend, und ich lerne hierbei sehr effektiv und genau zu arbeiten. Ich habe noch ein bisschen mehr Eigenverantwortung, und kann mich von Pläne zeichnen, bis Material organisieren, bis hin zu Village Meetings und der letztendlichen Durchführung des Projektes restlos austoben. Da ertappt man sich schonmal dabei das es draußen dunkel wird und man immer noch ganz faszniert über den Plänen sitzt. Irgendwann kommt dann aber der Koch und macht dem ganzen ein Ende;-). Hierzu möchte ich sehr klar betonen, dass wir genug Freizeit und Urlaub haben, aber die Arbeit wirklich so viel Spaß macht, dass wir auch mal gerne ein bisschen mehr machen. Das Verhältniss stimmt auf jeden Fall.
Dies ist wahnsinnig spannend, und ich lerne hierbei sehr effektiv und genau zu arbeiten. Ich habe noch ein bisschen mehr Eigenverantwortung, und kann mich von Pläne zeichnen, bis Material organisieren, bis hin zu Village Meetings und der letztendlichen Durchführung des Projektes restlos austoben. Da ertappt man sich schonmal dabei das es draußen dunkel wird und man immer noch ganz faszniert über den Plänen sitzt. Irgendwann kommt dann aber der Koch und macht dem ganzen ein Ende;-). Hierzu möchte ich sehr klar betonen, dass wir genug Freizeit und Urlaub haben, aber die Arbeit wirklich so viel Spaß macht, dass wir auch mal gerne ein bisschen mehr machen. Das Verhältniss stimmt auf jeden Fall.
Vor
der Durchführung des Projektes oder bei ein paar ungeklärten
Arbeitsschritten gibt es natürlich eine Absprache mit Virpuaxi,
Ramesh und/oder den anderen Teamkollegen, so dass man nochmal eine
ganz anderer Arbeitsablauf besprochen wird.
Es
ist durchaus ein bisschen schade, dass ich nicht mehr so oft in die
Camps von den taubstummen Kindern eingesetzt werden kann, aber ich
versuche soweit es geht daran teilzunehmen. Manchmal muss dann doch
noch eine andere Sache weggearbeitet werden.
Es
ist schon sehr erstaunlich, wie schnell man sich in ein Team einleben
kann, und ich habe ein gutes Gefühl, mitten im Projekt zu stecken
und auch akzeptiert zu sein. Manchmal vergisst man ganz das man ein
Freiwilliger des SCI ist, weil ich hier als vollwertiger Mitarbeiter
angesehen werde. Hierbei hat mir vor allem das Team der Kollegen und
Chefs geholfen, die mir viel Vertrauen schenken und mit Rat und Tat
zur Seite stehen.
Somit
konnte ich es schaffen, bis Ende März zehn Adaptations umzusetzen.
Hierzu gehören drei Rampen, zwei Festhaltestangen an einer Wand, ein
Toilettenhaus mit Rampe, eine Rampe aus Lehm und eine Holztreppe für
ein öffentliches Gebäude, einen Sitzblock für ein Badezimmer und
für einen Klienten zwei parallele Einsenstangen, um tägliche
Übungen durchzuführen (Gleichgewicht).
Ich
habe bereits damit angefangen, zusammen mit Moritz und den anderen
Kollegen des Teams den Garten meines Campuses behindertengerecht und
schön umzubauen.
Es
stehen also vier ausstehende Projekte auf meiner Liste, die ich gerne
bis Ende Juli fertigstellen würde. Ich mache mir diesbezüglich
keinen Druck, sondern weiß, dass ich ausstehende Projekte an einen
neuen Freiwilligen abgeben kann.
Ich konnte die letzten Wochen unter anderem (wie oben beschrieben) für ein öffentliches Gebäude tätig sein, für welches ich eine Holztreppe entworfen habe:
Diese Treppe ermöglicht den Barrierefreien Einstieg in ein Büro, dass etwas unterhalb einer Straße liegt.
Ich saß seit September letzten Jahres
an der Planung für den Umbau des Campusgartens. Dieser sollte zum einen für Menschen mit Behinderungen zugänglich, und zum anderen schön gemacht werden. Nach achtmonatiger Planungsphase konnten wir letzte Woche mit dem Bau beginnen und sind fast fertig. Hier rechts und unten kann man erste Arbeitsergebnisse sehen.
Ausserdemsitze ich derzeit zusammen mit Moritz und unserem Workshop Mitarbeiters, der die Rollstühle, Protesen und andere Hilfsmittel herstellt und repariert an einer Idee für einen Rollstuhl. Hier rechts ist ein Prototyp zu sehen, der schon auf dem Campus von Klienten ausprobiert wird. Es handelt sich hierbei um ein drittes Stützrad mit einer Kurbel. Die aktuelle Version wird von den Klienten als sehr angenehm empfunden. Ich bin ab und zu in der Werkstatt um Ideen einzubringen, ein neuer Freiwilliger wird sich ab September mit diesem Thema beschäftigen.
Desweiteren sitzen Moritz und ich gemeinsam an einem großen Projekt: Dem Social Rehabilitation Centre. Wir haben seit September letzten Jahres zusammen mit unserem Direktor Hampanna und unseren beiden Teamkollegen an einer Idee gesessen, einen der vier Campuse so umzubauen, dass dort Menschen mit körperlicher Behinderung nach einem Unfall rehabilitiert werden können. Nach nächtelangem Brüten und tausenden Tees sind wir nun soweit: Es kann losgehen;-). Der Campus liegt sehr günstig gelegen auf halber Strecke von Moritz zu mir, und je nach indischer Mentalität wäre es schön, wenn wir es schaffen ein paar Dinge umzusetzen. Es sollen Gruppen von 5-6 jungen Männern für eine Zeit von drei bis sechs Monaten auf dem Irkalgada Campus wohnen, und dort für ein eigenständiges Leben im Dorf nach dem Unfall vorbereitet werden. Hierzu gehört selbstständiges Kochen, duschen, aber auch tägliche Physiotherapie und Gartentraining stehen auf dem Programm.
Unsere
Aufgabe ist es, Rampen, Schlafräume, die Küche, Bad, und Toilette
sowie anderen Begebenheiten behindertengerecht umzubauen. Klingt
spannend? Ist es auch.
Nach
jetzigem Stand kann ich diesem Auslandsjahr verbunden mit dem
Freiwilligendienst wirklich volle Punktzahl geben. Neben stetig
wachsenden Englischfähigkeiten im Schreiben und vor allem Sprechen
lerne ich hier wahnsinnig viel über Behinderungen sowie effektive
und selbstständige Arbeitsweisen. Es ist einfach schön, bei
einfachsten Lebensverhältnissen mit dem Menschen zusammen zu leben
und gemeinsam etwas zu erreichen. Der Stempel, den ich bei der
Ausreise bekomme, ist ein sehr herzlicher tiefer Indien Stempel in
mein Herz, der mich für mein restliches Leben prägen wird.
Abschließend
kann ich sagen, dass die Zeit hier in Indien wirklich an mir vorbei
geflogen ist, und ich nur zusehen konnte, wie schnell dieses Jahr
vorbeigeht. Mit gleichzeitigem Wehmut über den Weggang aus einer
geilen Zeit in Indien, freue ich mich sehr auf die Rückkehr in meine
Heimat, und auf das Wiedersehen mit Familie und guten Freunden. Ich
habe im Moment das Gefühl, dass ich in meinem zuH ause nur noch ein
Gast bin, und das es zunächst komisch sein wird in seinen alten
neuen Schatten zurückzutreten. Ich freue mich auf jeden Fall auch
auf das zeitnahe SCI Seminar, auf dem wir die Möglichkeiten haben,
unsere Erfahrungen zu teilen und darüber zu reden.
Mein
Weg nach Indien geht an die Uni Würzburg, und ich finde es gut, zwei
Monate Zeit zu haben, um sich wieder einzuleben und alles fürs
Studium vorzubereiten. Ich werde ab dem kommenden Semester
Grundschullehramt studieren.
Der
Freiwilligendienst mit den behinderten Menschen hat in mir die
Interesse geweckt, mich vielleicht später auf körperliche
Behinderungen im Grundschulalter zu spezialisieren. Es ist ein
Gedanke im Hinterkopf, und ich werde schauen, ob ich ihn bei geraumer
Zeit aufgreife.
So
liebe Freunde in Deutschland,
da
es einfach nichts mehr zu schreiben gibt, stürze ich mich die
nächsten Wochen ins Projekt, und freue mich darauf, euch bald
wiederzusehen!
Herzlich Grüßt,
euer Florian Oschmann