Freitag, 7. September 2012

Das war Indien


Ich sitze nicht mehr auf meinem Campus, sondern an meinem Schreibtisch in Dortmund. Statt das Brummen eines Ventilators zu hören und auf dem Campus in Koppal zu sitzen, schaue ich auf den grünen Innenhof und genieße einen leckeren Pfefferminztee.

In diesem Bericht möchte ich meinen Freiwilligendienst ein bisschen abschließen, und letzte Dinge über den Dienst aufschreiben. Alles andere ist natürlich in meinen Gedanken und meinem Kopf, aber es folgt nun eine neue spannende Lebensphase, die es auch vorzubereiten und zu leben gilt.
Nach einem Jahr Indien, leben und arbeiten im südlichen Indien, betrete ich morgens am 1.August den deutschen Boden, und werde von Familie und Freunden begrüßt. Was passiert mit mir? Wo bin ich? Ich hänge zwischen der Luft und weiß erst mal gar nicht wo ich bin.
Es ist wahnsinnig schön wieder da zu sein, aber trotzdem weiß ich nicht ganz wie mir geschieht als ich im Auto sitze und bei schönstem Wetter nach Hause fahre.

Ich kann sagen, dass der Abschied von meiner Organisation und meinen Freunden sehr mild und angenehm war. Es war zwar durchaus bewusst, dass ich jetzt wieder nach hause fahre, aber eigentlich hat es sich angefühlt als würde ich nach dem Wochenende wiederkommen. Ich merke im Moment, dass es wie anfangs gedacht schwierig ist, engen und regelmäßigen Kontakt zu den Freunden und zur Partnerorganisation zu bekommen, weil ich doch sehr damit beschäftigt bin mein Leben in Deutschland neu zu ordnen. Aber es macht Spaß, jetzt die Weichen neu zu stellen.
„Wie war es in Indien?“ Es ist natürlich klar, dass man in vielen Alltagssituationen diese Frage hört, aber ich antworte gerne darauf. Meine Antwort ist meistens „Die beste Erfahrung meines Lebens“. Man merkt dann schon, wer genauer nachfragt oder es dabei belässt.

Immer wenn ich in den Medien oder auf der Straße Inder oder Inderinnen sehe, oder mit Indien in Berührung komme, ein Lächeln auf dem Gesicht habe, und daran denke, wie ich es erlebt habe. Es ist nämlich so, dass ich nun ein bisschen mehr über dieses verrückte große Land weiß.
Ich habe Indien mit all seinen guten und schlechten Seiten und vor allem den ganzen liebenswerten Menschen tief in mein Herz geschlossen, und würde mich manchmal gerne für einen Tag nach Bengalore oder nach Koppal beamen.

Ich glaube es ist schwer zu erklären, was ich in diesem langen Jahr alles gelernt habe. Ich glaube ich habe in diesem Jahr am meisten über mich selbst gelernt. Ich habe mich selbst aus einer ganz anderen Perspektive gesehen und neu kennen gelernt. Viele Dinge, die mir die Inder beigebracht haben, werde ich erst später sehen und davon profitieren. Auf jeden Fall habe ich gelernt, eine innere Ruhe zu finden und ab und zu ein bisschen das Leben und Situationen mit Ruhe zu bewerten und zu leben (Reisepartner Moritz würde wahrscheinlich jetzt Gegenwände einbringen, aber ich glaube ich bin auf einem ganz guten Weg). Neu hinzugelernt habe ich mit Sicherheit flexibel zu denken und meine deutsche Pünktlichkeit in manchen Situationen wegzulassen.
Ich weiß, dass die Arbeit in Indien mit den Kollegen und den Klienten und ich als deutscher Kollege nicht immer die einfachste war, aber ich denke das wir dort unten viel gemeinsam bewegt und erreicht haben.
Ich kann an die Momente erinnern, wenn wir nach wochenlangen Anstrengungen mit einem Klienten oder einem Dorf einen Durchbruch hatten, und weiterkamen. Meine Arbeit war teilweise wie ein steiler harter Berg. Zunächst muss man ansteigen, und es wird, je höher man steigt, steiler und schwieriger. Aber es gibt irgendwann einen Punkt, an dem man oben angelangt ist und entspannt absteigen kann.


Diejenigen, die meine anderen Berichte gelesen und meinen Blog verfolgt haben wissen, dass ich sehr für mein Projekt und meine Partnerorganisation, sowie für die Kollegen vor Ort geschwärmt habe. Der ganz klare Vorteil ist die jahrelange Erfahrung, die SAMUHA mit Freiwilligen hat und anwendet. Man spürt eine konstante Wärme und Herzlichkeit, und fühlt sich bei seinen Kollegen und Freunden immer aufgenommen.
Als ich letztens einen Vortrag über Indien gehalten habe kam es mir mittendrin doch komisch oder skurril vor, dass ich als Deutscher völlig normal ein Jahr unter vielen Indern gelebt habe und sehr schnell (zumindest auf dem Campus) ganz normales Mitglied des Campuses war.

Da ich bei Samuha wirklich eine so tolle Zeit hatte, gibt es für mich eigentlich keine Nachteile in diesem Projekt. Man muss hier allerdings anfügen, dass man als vollwertiges Mitglied des Teams angesehen wird und somit auf dem Campus und im Dorf auch viel Verantwortung trägt. Dies hat mich jedoch immer angespornt, gut zu arbeiten und besser zu werden. Wie bereits angekündigt, hatte ich ein Team und vor allem einen Chef um mich herum, dass/der mich stets gefördert und unterstützt hat. Diesbezüglich gab es für den Freiwilligen ein eigenes Projekt und ich war stets gut ausgelastet. 
Ich denke, dass das Functional Adaptation Projekt ohne Moritz und mich nicht in dem Maße möglich gewesen wäre, wie wir es durchgeführt haben. Ich denke wir können hier von einem beidseitigen Nutzen sprechen. SAMUHA war froh, dass sie Freiwillige haben und haben werden, die sich um ein Projekt kümmern, das sozusagen ein Bonbon zu den anderen Projekten ist. Ich wiederum bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, in diesem Projekt meine Fähigkeiten zu erweitern und viel dazu zu lernen.

Gleichzeitig habe ich immer das Gefühl gehabt, mit meiner Entsendeorganisation SCI in Deutschland eine seriöse und gute Organisation ausgewählt zu haben, die mich vor, während, und nach meinem Dienst begleitet hat. Ich denke, dass die Betreuung vom SCI nicht normal, sondern ausgezeichnet war und ist.
Auch mein Reisepartner Moritz, mit dem ich vieles in diesem Jahr erlebt und gemeinsam getan habe ist ein guter Freund fürs Leben geworden, mit dem ich hoffentlich noch das ein oder andere mal nach Indien oder in die weite Welt reise.


Ich möchte nun abschließend zwei Jahre in die Vergangenheit gehen. Der Gedanke, einen Freiwilligendienst im Ausland zu leisten entstand in der 12.Klasse. Mit welchen Einstellungen und Gedanken habe ich mich dazu entschieden diesen Dienst zu leisten? Was davon ist eingetreten?
Ich schrieb also in der Bewerbung folgendes:

„Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, dass ich mich ernsthaft für den Dienst im Ausland interessiere, und ich mir in meiner Entscheidung sicher bin. Die oben stehenden Ausführungen sind meine Überzeugung. Es ist ein großer Wunsch von mir, für ein Jahr wegzugehen, und mit einem kleinen Teil dafür zu sorgen, dass die Welt, in der wir leben, ein bisschen besser wird. Ich bin bereit, auf den Lebensstandard in Deutschland für ein Jahr zu verzichten, und mich der dortigen Kultur anzupassen. Ich möchte meinen Horizont erweitern, und meine Perspektive wechseln.“




Ich glaube, dass meine Erwartungen und Wünsche an ein Auslandsjahr mehr als übertroffen wurden.
Ich hoffe, dass ich durch meine Arbeit das Leben von fünfzehn Klienten ein bisschen unabhängiger machen konnte. Was ich wirklich tun konnte und was von meiner Arbeit nachhaltig war werde ich sehen, wenn ich das nächste Mal bei SAMUHA zu Besuch bin.
Wenn ich bedenke, dass ich mir dieses Auslandjahr vom Schreibtisch aus organisiert habe, ist es erstaunlich, dass wirklich alles so funktioniert hat wie ich es mir vorgestellt habe.

Und wie geht es weiter?
Ich beginne, wie bereits erwähnt, im Oktober mit meinem Grundschullehramtsstudium in Würzburg, und freue mich wirklich sehr darauf. Ich freue mich auf eine lange Freundschaft zur SCI Familie und zur ehrenamtlichen Arbeit in den verschiedenen SCI AGs und Gruppen. Wie genau sich diese gestaltet werde ich sehen, wenn ich in Würzburg angekommen bin. Dieses Abenteuer im exotischen Asien hat mich dazu angeregt, demnächst weitere Reisen in exotische Reisen z.B. nach Südostasien, Osteuropa, Südafrika oder Israel zu machen.
Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen danken, sowohl Freunden, Familie und Bekannten, die mir dies möglich gemacht haben und mich in meinem Weg unterstützt und begleitet haben. Ich bin froh, dass ich damals den Mut hatte diesen Schritt im Leben zu gehen.

Und wenn ich demnächst mal wieder einen Bericht über Indien im Fernsehen sehe, dann schließe ich meine Augen, und spüre das Gefühl und die Spiritualität, die Magie, die durch dieses Land zieht.
Ich höre den Muezzin, der abends in Koppal zum Gebet ruft, ich rieche den aufgewirbelten Staub, der sich abends in den Straßen niederlässt, ich sehe den indischen herzlichen Teeverkäufer der mir mit einem tiefen Lächeln seinen Tee verkauft, und den Rikshaw Fahrer, der mich ans andere Ende von Bengalore bringt.
Was und wie diese Magie Indiens ist, und was diese Magie mit einem selbst macht, kann ich nicht beschreiben, ich kann nur jedem selbst wärmstens ans Herz legen, selber in den Flieger zu steigen, und Indien:
Zu erleben ….

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